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Auf dem Weg zum autonomen Outdoor-Stapler

Autonome Fahrzeuge werden nach und nach immer mehr Transportaufgaben übernehmen – auch bei Kunden, die Gegengewichtsstapler zum Warentransport oder zum Be- und Entladen von Lkw im Einsatz haben. Das geschieht im Außenbereich, wo die Anforderungen an Stapler weitaus höher sind, als es bei reinen Indoor-Geräten der Fall ist. Dazu gehören Gefälle und Steigungen, ein deutlich höheres Personen- und Verkehrsaufkommen, aber auch Wettereinflüsse und Temperaturgegebenheiten.

2024-01-17

Mit Live-Vorführungen auf dem Testgelände im Werk Aschaffenburg präsentierten die KION Tochter Linde Material Handling und die Technische Hochschule Aschaffenburg die Ergebnisse des Forschungsprojekts „KAnIS – Kooperative Autonome Intralogistik Systeme“. In mehreren Teilprojekten wurden Lösungen für die anspruchsvollen Einsätze autonomer Gegengewichtsstapler entwickelt, die sowohl im Innen- als auch im Außenbereich Lasten bewegen. Ein Schwerpunkt liegt auf deren kooperativem Verhalten: Über ein 5G-Netz und einen Edge-Server tauschen die Fahrzeuge Informationen in Echtzeit aus und können sich gegenseitig vor Hindernissen warnen.

„Durch die gemeinsame Forschungsarbeit mit der TH AB konnten wir tragfähige Lösungen für diese komplexen Anforderungen erarbeiten. Die Erkenntnisse bilden nach dem Abschluss des Projekts eine wesentliche Grundlage für weitere Entwicklungsprojekte“, sagt Stefan Prokosch, Initiator des Projektes KAnIS vonseiten Linde MHs.

Übergeordnetes Projektziel war es, herauszufinden, wie sich betriebliche Zuverlässigkeit und Umschlagsleistung durch ein kooperatives Verhalten vernetzter, autonomer Fahrzeuge verbessern lassen. Zur Lösung dieser umfassenden Aufgabenstellung wurden mehrere Teilprojekte gebildet, die sich mit der Lokalisierung sowie Steuerung und Regelung der Fahrzeuge, der Kooperation der Stapler untereinander, dem Erkennen der Ladungsträger, dem Umgang mit Witterungseinflüssen, der vorausschauenden Wartung, der Routenoptimierung sowie dem automatischen Lademanagement beschäftigten.

„Das Projekt KAnIS war für die TH AB ein sehr komplexes, interdisziplinäres Forschungsprojekt. Beteiligt waren zehn Professorinnen und Professoren mit zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden“, sagt Prof. Dr. Hans-Georg Stark, Projektleiter KAnIS, Fakultät Ingenieurwissenschaften der TH AB.

Betriebsnahe Testszenarien unter Realbedingungen

Automatisiert wurden vier Elektro-Gegengewichtsstapler Linde E20, E25 und E30 mit 2,0 bis 3,0 Tonnen Tragfähigkeit, ausgestattet mit elektrohydraulischer Lenkung (Linde Steer Control), dem Assistenzsystem Linde Safety Pilot mit elektronischem Lastdiagramm sowie einem integrierten Zinkenverstellgerät. Ab dem kommenden Jahr sollen die Fahrzeuge weiterentwickelt und getestet werden, um zukünftig vier konkrete Materialfluss-Aufgaben im Werk zu übernehmen: den Transport von Gitterboxen sowie den Transport von Paletten mit Batterien, außerdem die Transporte von Fahrzeugrahmen und Fahrerschutzdächern, die auf speziellen Ladungsträgern von den Vormontage- an die Hauptmontagelinien gebracht werden. Die beiden ersten Anwendungsfälle sind reine Outdoor-Einsätze, bei den beiden anderen fahren die Stapler sowohl in als auch zwischen den Hallen. Zu überwinden sind Steigungen von 8 Prozent, außerdem fahren in den Hallen weitere AGVs und manuell bediente Fahrzeuge.

Echtzeitkommunikation mit Staplern und Infrastruktur

Ein besonderer Fokus des Forschungsprojektes lag auf der Umgebungswahrnehmung der automatisierten Stapler, um deren zuverlässiges Agieren mit anderen Verkehrsteilnehmern zu gewährleisten. Dazu verfügen die Fahrzeuge zusätzlich zu den Sensoren der Personenschutzeinrichtung über weitere 3D-Scanner und HD-Kameras. Die Kameradaten bilden die Basis, um Objekte mithilfe von KI-Algorithmen zu erkennen und zu klassifizieren sowie anschließend zu lokalisieren, um die Fahrgeschwindigkeit des Staplers anpassen und ihn bis zum Stillstand abbremsen zu können. Doch damit nicht genug. Eine weitergehende Fragestellung befasste sich mit kritischen Situationen, die entstehen, wenn sich Verkehrsteilnehmer in verdeckten Bereichen aufhalten, die von den Sensoren des Staplers nicht einzusehen sind und sich auf den Fahrweg des Staplers zubewegen. Hier kommt die Kooperation der Stapler ins Spiel, denn wenn ein anderer Stapler in der Nähe ist, könnte er entsprechende Informationen liefern. Voraussetzung ist aber eine echtzeitfähige Übermittlung der Perzeptionsdaten. Um diese geringen Latenzen zu erreichen, wurde im Aschaffenburger Werk ein privates 5G-Netzwerk aufgebaut. Die Perzeptionsdaten werden von den Staplern an einen Edge-Server übertragen, der aus den lokal erkannten Objekten eine globale Liste aller erkannten Objekte erstellt und diese zurück an die Stapler sendet.

Getestet wurde mit einem Crashtest-Dummy, der plötzlich hinter einer Wand hervorkommt und in den Fahrweg läuft. Ohne kooperatives Verhalten kann der automatisierte Stapler nicht rechtzeitig stoppen und fährt gegen die Puppe. Erhält er die Echtzeitinformation eines in der Nähe befindlichen Staplers, ist das Fahrzeug in der Lage, die Gefahrensituation im Voraus zu erkennen, und kann rechtzeitig abbremsen. Da aber nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass ein zweiter Stapler in der Nähe ist, wurden entlang der Wege, die die KAnIS-Stapler zukünftig fahren sollen, acht stationäre 3D-Laserscanner an Kreuzungen und Tordurchfahrten installiert. Auch die lokalen Objektlisten der stationären Laserscanner werden auf dem Edge-Server fusioniert und die Informationen allen Fahrzeugen zur Verfügung gestellt.