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Retourenlogistik im E-Commerce

Der E-Commerce boomt – und mit den steigenden Bestellungen schießt auch die Zahl der Rücksendungen in die Höhe. Gerade diese stellen immense Herausforderungen an die Anbieter im Endkundengeschäft. Um langfristig eine schnelle Bearbeitung der Retouren zu erzielen, entschieden sich die Spielwarenhersteller der HABA-Firmenfamilie für eine automatisierte Lösung der KION Konzerntochter Dematic. Mit dem passenden Erfindungsreichtum und mutigen Entscheidungen wurde das Projekt zum Erfolg – und die Retourenlogistik zum Kinderspiel.

2020-11-12

Wer hat es als Kind nicht selbst erlebt: Das rasselnd-rollende Geräusch einer Murmel auf der hölzernen Bahn, das helle Klicken, wenn sie in die nächste Ebene fällt, die Aufregung, ob sie nicht aus der Kurve fliegen wird – und die unbändige Lust, die Murmel, sobald sie unten angekommen ist, sogleich wieder oben an den Startpunkt der Kugelbahn zu legen und den Anstoß für die nächste Runde zu geben. Genau dieses Spielerlebnis gehört zu den Spezialitäten des Traditionsunternehmens HABA-Firmenfamilie. Seit über 80 Jahren widmet sich das von der Familie Habermaass gegründete Unternehmen – mittlerweile in der dritten Generation – der schönsten Zielgruppe der Welt: Kinder und ihre Familien.

Neben dem HABA-Klassiker Kugelbahn wurde das Angebot über die Jahrzehnte erweitert. Heute bereichert das Unternehmen Familien und Einrichtungen mit hochwertigen Produkten in den Kernbereichen Familienleben, Spielen, Bildung, Bewegung, Kleidung, sowie Möbel und Ausstattung. Unter ihrem Dach vereint sie die bekannten Unternehmensmarken HABA, JAKO-O und Wehrfritz. 1987 startete das Familienunternehmen mit Jako-O sein erstes Mail-Order-Business. Heutet bietet die HABA-Firmenfamilie Endkunden ihr Angebotsspektrum online unter den Marken HABA, JAKO-O-O, FIT-Z, Qiéro! und Wehrfritz an – und verzeichnet damit seit Jahrzehnten zunehmenden Erfolg.

Seit über 80 Jahren im Spielwarengeschäft: HABA

Das Retourenmanagement wurde zum Stolperstein

Entsprechend groß ist das Paketvolumen am Firmensitz im fränkischen Bad Rodach: Mindestens 700 Sendungen verlassen das Distributionszentrum der HABA-Firmenfamilie pro Stunde. Doch viele Kunden ordern von vornherein mehrere Alternativen und schicken alles bis auf den Favoriten zurück. Genau hier stieß das manuelle Retourenmanagement der HABA-Firmenfamilie vor zwei Jahren an seine Grenzen – denn aufgrund der Vielzahl der Retouren vergingen oftmals Tage, bis die einwandfreien „A-Retouren“ wieder für den Verkauf bereitstanden. „Unser Retourenmanagement war den Dynamiken des heutigen E-Commerce schlicht nicht mehr gewachsen“, erklärt sich Torsten Kreußel, Leiter Prozessmanagement, Produktion und Logistik bei der HABA Group B.V. & Co.KG.

Aus diesem Grund ging die HABA-Firmenfamilie vor zwei Jahren auf die Suche nach einer automatisierten Lösung, die gleich mehrere Anforderungen erfüllen sollte: Zum einen sollte sie sich nahtlos in den begrenzten Platz der historisch gewachsenen Bestandsanlage einfügen. Zum anderen sollte die Implementierung erfolgen, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen. Unter zahlreichen Mitbewerbern nahm auch Dematic an der Ausschreibung teil – mit mutigen Ideen und einer bemerkenswerten Vorgeschichte.

Erfindergeist, der verbindet

Nicht nur die HABA-Firmenfamilie, sondern auch Dematic hat in Deutschland eine lange Tradition vorzuweisen. Und wie es der Zufall wollte, hatte es in der Geschichte der beiden Unternehmen bereits einen gemeinsamen Berührungspunkt gegeben. 1998 hatte Dematic – oder besser gesagt Demag, wie der Vorläufer der heutigen Firmierung hieß – ein automatisches Kleinteilelager (AKL) im Bad Rodacher Unternehmen installiert, das noch bis heute dort im Einsatz ist. Das Besondere an dem „Miniload“: Es war der erste Testlauf für ein neues System von Dematic, das komplett ohne sogenannte „Trays“ auskommt, d. h. der Kran bewegt die Waren in die höheren Regalebenen, ohne dass dazu ein stabilisierendes Tablett unter die Kartons platziert werden muss. „Schon damals hat die HABA-Firmenfamilie uns das Vertrauen geschenkt, dass wir dort eine neue Technologie zum ersten Mal in die praktische Umsetzung bringen konnten“, erklärt Winnie Ahrens, Senior Sales Manager bei Dematic, die auch das aktuelle Projekt bei dem Spielwarenspezialisten betreut hat.

Im Auswahlverfahren für das Retourenmanagement überzeugte Dematic diesmal mit einem Taschensortiersystem, das unter der Decke installiert wird. „Die Idee, den bis dato ungenutzten Luftraum unserer Logistikflächen für einen flexiblen Taschensorter zu nutzen, hat uns sofort zugesagt“, erklärt Kreußel. Die Umsetzung der Idee gestaltete sich allerdings als echte Herausforderung, wie Ahrens erzählt: „Die Installation war aufgrund des alten Gebäudes und der vorhandenen Strukturen sehr anspruchsvoll, hier hat unser Team ganze Arbeit geleistet und das buchstäbliche Kamel durchs Nadelöhr geführt.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wie eine gewaltige Kugelbahn windet sich das System aus Überkopfschienen nun durch das Distributionszentrum der HABA-Firmenfamilie.

Dematics Taschensortiersystem überzeugte die Verantwortlichen bei HABA

Hindernisse mutig überwinden

Für den Warentransport verwendet das System Taschen, die platzsparend an Rollen aufgehängt sind. In diesen Taschen können verschiedene Waren mit einem Gewicht bis zu drei Kilogramm transportiert, sortiert und sequenziert werden. Die Beladung der Taschen funktioniert vollautomatisch und schließt über ein Förderband direkt an die Arbeitsplätze für die manuelle Retourenbearbeitung im Erdgeschoss an. „Das System belädt bis zu 1.200 Taschen pro Stunde mit jeweils einem Packstück, das sich per RFID-Tag und Barcode identifizieren lässt. Warenstück-ID und Taschen-ID werden dann verheiratet. Somit können wir jederzeit im System erkennen, wo sich welcher Artikel befindet“, erklärt Ahrens. Anschließend werden die Taschen über einen Steilförderer in das dynamische Taschenlager im zweiten Obergeschoss transportiert. Dieser Steilförderer war es, mit dem Dematic in der Ausschreibung zusätzliche Pluspunkte sammeln konnte: „Die Mitbewerber wollten keinen so steilen Förderer bauen und hatten mit ihren Lösungen eher außen an der Fassade entlang geplant. Das hätte für die HABA-Firmenfamilie aber zusätzliche Umbauten bedeutet“, berichtet sie. Doch Dematic wollte direkt hoch hinaus – und fand auch den passenden Weg, dies reibungslos zu bewerkstelligen.

Steile Förderung für hohe Effizienz

Im Obergeschoss befinden sich dann in zwei übereinanderliegenden Ebenen 18 Pufferkreisel mit jeweils 128 Metern Länge, in denen knapp 40.000 Taschen Platz finden. Dort zirkulieren die Waren, bis sie erneut einer Bestellung zugewiesen werden. Über den Taschensammler – ein Sortierbereich mit 17 parallelen Stangen – können wiederum bis zu 2.000 Artikel pro Stunde für neue Bestellungen aus- und an die Umpackstationen weitergegeben werden, wo sie für den erneuten Versand vorbereitet werden. Genau an dieser Stelle feiert eine weitere technologische Neuentwicklung von Dematic in Bad Rodach ihre Premiere: Denn erstmals können die Taschen auch vollautomatisch entladen werden. „Rund 20 Jahre nach dem Demag-AKL hat uns die HABA-Firmenfamilie wieder das Vertrauen ausgesprochen und ist mit uns einen mutigen Schritt gegangen“, resümiert Ahrens. Die entladenen Taschen werden automatisch wieder verschlossen und gelangen anschließend über den Förderschacht zurück ins Erdgeschoss, wo sie bis zu ihrem nächsten Einsatz in der Leertaschenstrecke zirkulieren. Das System funktioniert einwandfrei, wie auch Kreußel bestätigt: „Die Wiederverfügbarkeit eines Artikels hat früher mehrere Tage in Anspruch genommen. Mit dem Taschensortiersystem dauert es jetzt weniger als eine Stunde. Das spart uns nicht nur Zeit und Arbeitskräfte für die Rücksortierung der Ware ins Fachbodenregal, sondern auch Geld und sorgt durch kürzere Lieferzeiten und somit für noch höhere Kundenzufriedenheit.“

Noch immer Luft nach oben

Eines haben die Spielzeugerfinder und die Automationsspezialisten von Dematic gemeinsam: Jedes System muss immer noch Raum für neue Ideen lassen. Und so ist der Taschensortierer dank seines modularen Aufbaus genau wie die HABA-Kugelbahnen flexibel erweiterbar. Damit ist die HABA-Firmenfamilie auch für die wachsenden Anforderungen des E-Commerce gewappnet – und hat mit Dematic den passenden Partner an ihrer Seite.