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Wasserstoffenergie bei KION - vom Pilotprojekt zum Branchenstandard

Der Einsatz von Wasserstoff als nachhaltiger Energieträger gewinnt auch in der Intralogistik mehr und mehr an Bedeutung. Die Marken der KION Group stellen hier ihren Führungsanspruch mit Rekordzahlen unter Beweis: Allen voran STILL, die in Frankreich die bisher europaweit größte mit Brennstoffzellen angetriebene Staplerflotte ausgerüstet haben.

2020-01-16

137 Fahrzeuge sorgen für den reibungs- und emissionslosen Warentransport auf dem 58.000 Quadratmeter großen Areal von Carrefour nahe der französischen Kleinstadt Vendin le Vieil. Das Lager des europaweit zweitgrößten Einzelhandelsunternehmens wurde für ein Pilotprojekt ausgewählt, bei dem der Einsatz der Brennstoffzellentechnologie im großen Rahmen getestet werden sollte. Zu den Projektpartnern gehörten neben STILL das amerikanische Unternehmen PlugPower, das sich auf Systeme mit Wasserstoff-Brennstoffzellen spezialisiert hat, und Air Liquide, ein französischer Hersteller technischer Gase.

Das Großprojekt bietet ein anschauliches Beispiel für die umfassende Expertise rund um die Brennstoffzelle, die innerhalb der KION Group vorhanden ist. So hat STILL bereits seit 2003 regelmäßig Wasserstoff-Projekte mit unterschiedlichen Fahrzeugtypen umgesetzt. Bei Linde Material Handling reicht die Erfahrung mit dem Brennstoffzellenantrieb sogar bis ins Jahr 1997 zurück. Unter dem Dach der KION Group führen die beiden Marken ihre Erfahrung in dem Bereich New Energy Systems zusammen. „Wir investieren bereits seit Längerem viel Aufmerksamkeit in das Thema Brennstoffzelle“, erklärt Carsten Harnisch, Vice President New Energy Systems bei KION. „Es ist ein wichtiger Bestandteil unseres Energiekonzepts, mit dem wir auf viele Anforderungen unserer Kunden eine Antwort geben können – zum Beispiel, wenn es um harte Dreischichteinsätze geht, wo eine hohe Verfügbarkeit der Fahrzeuge immer gewährleistet sein muss.“

Einfach und praktisch, schnell und sauber

Zur optimalen Verfügbarkeit tragen die extrem kurzen Tankvorgänge bei – nur drei Minuten nimmt er an den dafür extra eingerichteten Tankstellen in Anspruch. Bei Carrefour, bei dem vorher eine Flotte mit Blei-Säure-Batterien im Einsatz war, fällt dieser Vorteil besonders ins Gewicht. „Die Mühe, die mit dem Wechseln einer herkömmlichen Blei-Säure-Batterie verbunden ist, wird aufgehoben“, erklärt Kevin Roche, einer der Kommissionierer bei dem Einzelhandelsunternehmen. „Die Bedienung ist viel sauberer – und das, obwohl das Wechseln der Batterien schon unter Verwendung mechanisierter oder halbautomatischer Systeme erfolgt ist.“ Dadurch sind die Flurförderzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auch für den Einsatz in hygienekritischen Branchen wie in der Pharma- oder Lebensmittelindustrie geeignet.

Ein weiterer Vorteil ist die Schonung des Klimas. So erzeugt das Energiesystem im Betrieb keinerlei Emissionen – und ist damit prädestiniert für den Einsatz in geschlossenen Lagerhallen. „Nach etwas mehr als einem Jahr Erprobungsphase ist uns bewusst, dass wir jedes Jahr rund 30 Tonnen CO2 vermeiden können, die ansonsten in die Atmosphäre freigesetzt würden,“ so die erfreuliche Bilanz von Alain Audegond, Standortdirektor bei Carrefour in Vendin le Viel. Diese Einsparung setzt voraus, dass der Wasserstoff aus regenerativen Quellen kommt, z.B. Biogas oder Elektrolyse durch Sonnen- und/oder Windenergie. Weitere Pluspunkte in Sachen Umweltschutz sammelt die Wasserstoff-Brennstoffzelle dadurch, dass sie sich gut zum Recycling eignet, da keine giftigen Säuren oder Schadstoffe enthalten sind. Und auch die vergleichsweise lange Lebensdauer der Brennstoffzelle – je nach Einsatzspektrum etwa fünf Jahre – trägt dazu bei, unnötigen Abfall langfristig zu reduzieren.

„Wir sind stolz, dass wir die europaweit bisher größte Flotte wasserstoffbetriebener Flurförderzeuge erfolgreich installiert haben“, sagt Björn Grünke, Produktmanager Energiesysteme bei STILL. Durch die Größe des Lagers, des Warenumschlags und der daraus resultierenden Menge an Flurförderzeugen bot Carrefour die perfekten Bedingungen für das Pilotprojekt. Denn bereits ab einem Einsatz von 20 bis 50 Fahrzeugen beweisen Brennstoffzellensysteme ihre Wirtschaftlichkeit – ein skalierbarer Effekt, der umso größer wird, je mehr die Flotte anwächst. Noch mehr rechnet sich das Konzept übrigens in Unternehmen, die Wasserstoff in ihrer Produktion benötigen und deshalb von Haus aus über eine Infrastruktur für die Gasversorgung verfügen.

„Wir sind stolz, dass wir die europaweit bisher größte Flotte wasserstoffbetriebener Flurförderzeuge erfolgreich installiert haben“

Björn Grünke

Linde MH bringt BMW mit Brennstoffzellenantrieb voran

Auch bei Linde Material Handling wurde das große Potential der Brennstoffzelle früh erkannt. Bereits seit 1997 entwickelt das Unternehmen einsatzfähige Lösungen – als erster Hersteller im Bereich Intralogistik überhaupt. 2010 wurde die Brennstoffzellentechnologie bei ersten Fahrzeugen mit in die Serienfertigung aufgenommen. Heute sind rund 80 Prozent aller Linde Produkte inklusive des Linde Roadsters mit der klimafreundlichen Antriebsvariante verfügbar.

Seine umfassende Expertise im Bereich Brennstoffzellentechnologie bringt das Unternehmen im Rahmen eines umfangreichen Kooperationsprojektes mit der BMW Group ein. Gemeinsam wollen die Partner die Wasserstoffbrennzelle als Antriebsvariante in der Intralogistik auf eine breite Basis stellen. Im Konsortium sitzen neben Linde MH, dem BMW Group Werk Leipzig und weiteren Partnern auch die TU München, die die wissenschaftliche Begleitforschung verantwortet.

Testfeld für die nachhaltige Antriebstechnologie ist das Leipziger Werk der BMW Group. Hier werden bereits seit Dezember 2013 wasserstoffbetriebene Linde Gabelstapler und Routenzüge eingesetzt. Die erste Versuchsflotte von elf Fahrzeugen wurde Anfang Dezember 2018 um weitere 70 wasserstoffbetriebene Routenzüge erweitert – und damit eine der größten brennstoffzellbetriebenen Flotten Europas in Betrieb genommen. Nach einem Jahr ausgiebiger Tests unter den realen Produktionsbedingungen im Werk fällt das Fazit eindeutig aus: „In der Praxis haben sich die Erwartungen und damit die Vorteile über den langen Zeitraum bei BMW bewahrheitet“, berichtet Carsten Harnisch nach seinem jüngsten Besuch im Werk in Leipzig. „Die Fahrzeuge werden aktuell im Zweischichtbetrieb eingesetzt. Eine Umstellung auf einen Dreischichtbetrieb ist aber jederzeit ohne Änderung der Fahrzeugflotte oder der Prozesse möglich. Die Intralogistik passt sich damit in perfekter Weise an die Anforderungen der Produktion an, diese Flexibilität bietet derzeit keine andere Technologie.“ Die Einfachheit des Betriebs führte bei BMW zu der Überlegung, auch in anderen Werken auf die alternative Antriebstechnologie umzusteigen. So sind auch im Werk in Dingolfing die Überlegungen weit vorangeschritten, zu einer brennstoffzellbetriebenen Flotte überzugehen.

Die Zukunft ist „H2Ready“

Das Kooperationsprojekt von Linde Material Handling und BMW wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unterstützt. Die Förderung des Bundesministeriums zielt darauf ab, die technische Entwicklung klimafreundlicher Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie voranzubringen und wettbewerbsfähig zu machen. So liegen die konkreten Schwerpunkte hier nicht nur auf der Entwicklung und Erprobung, sondern vor allem auf dem Alltagseinsatz und dem wirtschaftlichen Betrieb. Infrastruktur, Service und Schulungskonzepte zum Betrieb der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie sind weitere wichtige Themen. Als Resultat soll ein flächendeckender Industriestandard etabliert werden: „H2Ready“ soll weiteren Herstellern die Möglichkeit eröffnen, die innovative Technologie in neuen oder umgerüsteten Fahrzeugen in der eigenen Produktion einzusetzen. So wie KION bei Carrefour und BMW.