Alle Stories
Sauerstoff Reduzierung
6 min

Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion: Intelligenter Brandschutz für automatisierte Lager

Ob im E-Commerce oder im produzierenden Gewerbe: Ein Lager ist der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Unternehmens. Dicht an dicht lagern hier Materialien und Produkte verschiedenster Art. Für den Unternehmer stellen sie ein extrem schützenswertes Gut dar. Für einen Brandschutzexperten jedoch sind sie in erster Linie eins: nämlich ein gewaltiger Haufen brennbaren Materials, der sich bis dicht unter die Decke stapelt. Um hier für ein Höchstmaß an Sicherheit zu sorgen, wenden die KION Tochtermarken Dematic und Linde Material Handling eine intelligente Brandschutzmethode an – und drehen dem Feuer ganz einfach die Luft ab.

2021-07-13

Was braucht es, damit ein Feuer entfacht? Neben einer starken Hitzequelle und brennbarem Material spielt Sauerstoff eine entscheidende Rolle. Genau hier setzt eine innovative Brandschutzmaßnahme an, die sich insbesondere für den Einsatz in automatisierten Lagerumgebungen eignet: Indem man den Sauerstoff reduziert, nimmt man dem Feuer sprichwörtlich „die Luft zum Atmen“. Hierzu reicht es schon, den normalen Sauerstoffgehalt der Luft, der bei etwa 20,9 Prozent liegt, um einige Prozentpunkte zu verringern.

Um wie viel Prozent genau verringert werden muss, hängt von den im Lager vorhandenen Materialien ab. Dies sind in allen Lagern zu großen Teilen Holz, Pappe und Polypropylen – eben die Unmengen an Paletten, Kartons und Kunststoffbehältern, die hier zum alltäglichen Bild gehören. Pappe entzündet sich hier am schnellsten. Um die sogenannte „Entzündungsgrenze“ für dieses Material zu unterschreiten, genügt eine Reduzierung des Sauerstoffs auf unter 15 Prozent. Unterhalb dieser Grenze ist reicht der Sauerstoff nicht aus, um ein Feuer aufrechtzuerhalten – und die Ausbreitung eines offenen Brandes wird im Keim erstickt.

Sicherheit auf höchstem Niveau

Sauerstoffgehalt im Vergleich zu Normal Null

Je höher wir uns über dem Meeresspiegel befinden – zum Beispiel auf einer Bergspitze – umso geringer ist der Sauerstoffgehalt in der Luft.

Um diese sichere Atmosphäre erzeugen zu können, sind zwei Dinge nötig: eine dichte Gebäudehülle und ein technisches System zur kontrollierten Sauerstoffreduktion. Dieses gewinnt aus der Luft Stickstoff, der hier als natürlicher Bestandteil enthalten ist, und leitet ihn gezielt in den zu schützenden Bereich ein. Der Sauerstoff hingegen wird in die Atmosphäre abgeführt. Dadurch wird die Sauerstoffkonzentration exakt unter die spezifische Entzündungsgrenze des dort vorhandenen kritischsten Materials abgesenkt und kontinuierlich auf diesem Niveau gehalten. Dabei bleiben die Räume begehbar, denn gesunde Menschen sind durchaus in der Lage, mit weniger Sauerstoff auszukommen, als in der normalen Atemluft vorhanden ist. So entspricht die Sauerstoffaufnahme in einer O2-reduzierten Umgebung mit 15 Volumenprozent des lebenswichtigen Stoffs etwa der Sauerstoffaufnahme bei einem Aufenthalt auf der Zugspitze in einer Höhe von ca. 3000 Metern. Um jegliche Risiken auszuschließen, sind bei Konzentrationen unterhalb von 17 Volumenprozent Sauerstoff Arbeitsschutzmaßnahmen wie vorangehende arbeitsmedizinische Untersuchungen und regelmäßige Pausen vorgesehen.

Effektiver Schutz vor Feuer – und sämtlichen Folgeschäden

„Die meisten Menschen denken beim Thema Brandschutz zuallererst an eine Sprinkleranlage“, erklärt Rainer Buchmann, SVP und Managing Director Central Europe beim KION Tochterunternehmen Dematic. „Und diese ist auch als herkömmliche klassische Brandbekämpfungsmaßnahme in vielen Fällen die probate Lösung.“ Dass Sprinkleranlagen große Tanks bzw. Becken für die Löschwasservorberatung und auch Löschwasserrückhaltung zum Grundwasserschutz für den Ernstfall benötigen, prädestiniert diese nicht für jede Lagerumgebung. Geht es hoch hinaus wie bei Palettenhochregallagern mit über 40 Metern, wird es zudem zunehmend schwierig die Wasserversorgung sicher zu stellen. „Wird die Sprinkleranlage im Brandfall ausgelöst, kann man sich die Folgen vorstellen: Durch den Wassereinsatz erleiden in der Regel die verbaute Technik als auch die gelagerte Ware einen erheblichen Schaden.“

Dementsprechend gilt es einen Blick auf alternative präventive Lösungen zu legen. „In der Intralogistik erleben wir gerade zwei Trends, durch die die Anforderungen in Sachen Brandschutz neu definiert werden“, führt Buchmann die Gründe hierfür aus. „Die zunehmende Lagerautomatisierung, eine Tendenz, die durch den boomenden E-Commerce verstärkt wird, geht mit einer höheren Dichte an Ware und damit auch Wertekonzentration einher.“ Neben dem Schutz von Personen und Sachwerten geht es auch immer mehr um die Sicherstellung der Anlagenverfügbarkeit. Denn kommt es im Lager zu einem Brand, stoppen die Prozesse unmittelbar und gefährden sowohl die Lieferfähigkeit als auch eine etwaige daran angegliederte Produktion für einen längeren Zeitraum. Deshalb ist der intelligente und zum jeweiligen Lager passende Brandschutz von Anfang an bei Dematic und den anderen KION Marken ein wichtiger Bestandteil der Lagerplanung.

Die aktive Brandvermeidung kombiniert die Sauerstoffreduzierung OxyReduct® mit Brandfrüherkennung durch Ansaugrauchmelder, um eine Brandausbreitung effizient zu verhindern.

Brandvermeidung statt Brandbekämpfung

In all diesen Bereichen bietet die Sauerstoffreduktion den Vorteil, dass der Brand schon aktiv vermieden wird, bevor er überhaupt entsteht. „Die aktive Brandvermeidung kombiniert die Sauerstoffreduzierung OxyReduct® mit unserer Brandfrüherkennung durch Ansaugrauchmelder, um eine Brandausbreitung effizient zu verhindern, Rauchschäden zu minimieren und schnelle Gegenmaßnahmen einleiten zu können“, erklärt Torsten Szypulski, Bereichsleiter Vertrieb bei der Wagner Group GmbH. Die Wagner Group befasst sich seit über 40 Jahren mit den Themen Sicherheitskonzepte und Brandschutz und gehört zu den Pionieren der Technologie. Ihr OxyReduct® System ist weltweit bei namhaften Unternehmen und Institutionen zu finden: Es bewahrt die Magna Carta und die Gutenberg-Bibel in der Britischen Nationalbibliothek genauso vor dem potentiellen Feuertod wie die wertvollen Bühnenbilder, Kostüme und Musikinstrumente im russischen Bolschoi-Theater. Und seit neuestem kommt es auch in einem von Dematic eingerichteten Premium-Distributionszentrum in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Einsatz.

Gemeinsam mit der Wagner Group hat Dematic in Dubai ein neues Distributionszentrum für die Landmark Group errichtet.

Dematic setzt neue (Sicherheits-)Maßstäbe in Dubai

Mit der Wagner Group an ihrer Seite hat Dematic in Dubai ein neues Distributionszentrum für die Landmark Group errichtet. Das Einzelhandelsunternehmen gehört zu den größten Retailern für Mode und weitere Konsumgüter im Nahen Osten und in Indien. Sein neues Distributionszentrum bietet Lagerkapazitäten für bis zu zwei Millionen Textilien. „Landmark verfügt über mehr als 2.000 Verkaufsstellen und bedient natürlich auch das Online-Segment. Um hier schnellere und reibungslosere Prozesse zu haben, hat das Unternehmen sich für eine umfassende Automatisierung entschieden“, erzählt Buchmann. Neben dem Dematic Garment-on-Hanger-(GOH)-System, in dem Kleidungsstücke auf Bügeln für den Versand bereitgehalten werden, ist hier auch das bis dato größte Dematic Multishuttle-System mit mehr als 1.200 Shuttles integriert. Dank der Automatisierung kann Landmark bis zu 15.000 Behälter pro Stunde andienen – und sorgt damit für Rekordgeschwindigkeit in der Distribution.

Dank der Automatisierung kann Landmark bis zu 15.000 Behälter pro Stunde andienen – und sorgt damit für Rekordgeschwindigkeit in der Distribution.

Ein besonderes Highlight der Anlage ist das 43 Meter hohe Palettenlager. Auf 36.000 Stellplätzen stehen hier teils empfindliche Waren. Aus diesem Grund ist der Bereich nicht nur klimatisiert, sondern auch mit dem Brandvermeidungssytem OxyReduct® System der Wagner GmbH ausgestattet, so dass ein beginnender Brand nicht nur sofort detektiert, sondern durch die Sauerstoffreduktion auch ein Übergreifen der Flammen konsequent unterbindet. Denn: Auch bei Bekleidung kann bereits eine eventuelle Rauchentwicklung dazu führen, dass die Ware nicht mehr verkauft werden kann. So muss hier der Brand schon im ganz frühen Stadium verhindert werden, was durch die Anlage der Wagner Group sichergestellt ist. „Mit dem System unseres Kooperationspartners Wagner haben wir hier ein überzeugendes Konzept auf die Beine gestellt, mit dem die eingelagerten Sachwerte und letztendlich auch die Prozesssicherheit des Unternehmens nachhaltig geschützt sind“, so Buchmann.

Linde Material Handling geht bei Lebensmitteln mit Sauerstoffreduktion auf Nummer sicher

Auch im Lebensmittelbereich bietet die Sauerstoffreduktion eine Menge Vorteile: Sie sorgt nicht nur für aktive Brandvermeidung, sondern der eingeleitete Stickstoff hält die eingelagerten Waren auch länger frisch. „Wenn es um Lebensmittel und gekühlte Lagerbereiche geht, ist die Sauerstoffreduktion aus drei Gründen die perfekte Lösung für den Brandschutz“, erklärt Frank Heptner, der im Staplersegment von KION für Automatisierungslösungen zuständig ist. „Erstens haben die temperaturgeführten Lager von vornherein eine dichte Gebäudehülle, die die perfekten Bedingungen für die Sauerstoffreduktion bietet. Zweitens sind Sprinkleranlagen im Tiefkühlbereich unpraktisch, da die Leitungen ohne Einsatz von Chemikalien einfrieren können. Und drittens sind im gekühlten Bereich Menschen meist nur sehr kurz im Einsatz – wenn überhaupt.“ Auch beim Traditionsunternehmen Alfrus im Italien setzt man daher im gekühlten Lagerbereich und darüber hinaus auf Automatisierung. Für das Handling der hier verarbeiteten und gelagerten Mandelprodukte hat die KION Tochtermarke Linde Material Handling hat hier gleich zwei automatisierte Lager konzipiert – und dabei die passenden Brandschutzkonzepte von Anfang an mitgedacht.

Für das Handling der verarbeiteten und gelagerten Mandelprodukte hat Linde Material Handling zwei automatisierte Lager konzipiert – und dabei die passenden Brandschutzkonzepte von Anfang an mitgedacht.

In beiden Lagern sorgen automatisierte Shuttlesysteme – natürlich perfekt koordiniert durch die Warehouse Management Software – und fahrerlose Transportfahrzeuge für nahtlose Materialflüsse. Im Rohstofflager, in dem die Mandeln aus den besten Anbaugebieten der Welt sofort weiterverarbeitet werden, herrscht trotz der automatisierten Prozesse ein vergleichsweise hohes Mitarbeiteraufkommen, so dass Linde Material Handling hier auf konventionelle Brandschutzmethoden setzt. Die verarbeiteten Mandelprodukte gehen automatisiert auf direktem Wege in das Fertigwarenlager – dem Herzstück der Anlage. Denn hier lagern die hochwertigen Waren für optimale Frisch unter idealen Temperaturbedingungen. Der zur Sauerstoffreduktion eingeleitete Stickstoff sorgt zudem für eine verzögerte Alterung der Produkte. So bleiben die leckeren Spezialitäten nicht nur frisch und appetitlich, sondern auch vor Schäden durch Feuer und Löschwasser geschützt. Dadurch ist dank der umfassenden Planung von Linde Material Handling die (Prozess-)Sicherheit bei Alfrus gesichert und der Mandelgenuss bei den Endkunden garantiert – ganz ohne Rauchnote.