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Ausbildung der Zukunft - digital, interaktiv, selbstständig

Lockdown und Ausbildung, geht das überhaupt? Vor dieser elementaren Frage standen die KION Marken Linde Material Handling, STILL und Dematic im März 2020. Doch was die Auszubildenden, Studierenden und deren Lernbegleiter in kürzester Zeit aus dem (virtuellen) Boden gestampft haben, hat sie nicht nur erfolgreich durch das vergangene Jahr geführt. Es hat auch das Potential, die Zukunft der Ausbildung bei den KION Marken langfristig zu verändern.

2021-04-21

In diesem Jahr läuft der Girls‘ Day bei der KION Marke Linde Material Handling etwas anders ab als bisher: Zum wiederholten Male öffnet Linde MH die Türen für interessierte junge Mädchen, um ihnen die Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten im Unternehmen näher zu bringen – dieses Mal jeodch nur die digitalen Tore. „Wir haben einen guten Mix aus Informationen, die wir per Videobotschaften vermitteln, und dem direkten, sprich digitalen Austausch mit unseren Auszubildenden und Studierenden zusammengestellt“, erklärt Jean-Christopher Klix, Ausbildungsleiter bei Linde MH. „Außerdem bekommen die Mädchen eine praktische Übung nach Hause geschickt, in der sie mit einer genauen Anleitung einen kleinen Motor mit einer genauen Anleitung erhalten, um ein kleines Getriebe mit Elektromotor zusammenzubauen, welches zusätzlich über einen selbst programmierten Microcontroller angesteuert wird."

Girls‘ Day und Boys‘ Day in Deutschland

Am 22. April findet deutschlandweit der Girls‘ Day und der Boys‘ Day statt – in diesem Jahr aufgrund der anhaltend angespannten Pandemielage überwiegend digital. Rund 65.000 Mädchen und Jungen schnuppern dieses Jahr bei den Aktionstagen gegen Rollenklischees im Beruf bei mehr als 5.000 Unternehmen in den Arbeitsalltag. So erhalten sie aus erster Hand Informationen zu den verschiedenen Ausbildungs- und Jobmöglichkeiten vor Ort.

Ausbildungsinhalte praktisch und passgenau geschnürt

Schon zu Beginn der Pandemie wurden buchstäblich Pakete bei der KION Tochtermarke STILL geschnürt. Im Februar 2020 trat Jan Wehlen seine neue Stelle als Ausbildungsleiter bei STILL am Standort Hamburg an. Er und sein Team sahen sich keine sechs Wochen später im Rahmen der Corona-Pandemie mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert. Kreative Lösungen mussten her. Getreu dem Motto „Wenn du nicht zu deiner Ausbildungsstätte kannst, dann kommt die Ausbildungsstätte eben zu dir“ wurden die Auszubildenden mit Technik-Kits, also Sets aus kleinen Hardware-Elementen mit passender Aufgabenstellung, versorgt. Und so wurden im Fach Controlling für Mechatroniker im Rahmen eines Mikro-Controller-Kurses beispielsweise kleine Ein-Chip-Computersysteme verschickt, an denen die Auszubildenden die gerade erlernte Programmiersprache anwenden und erste praktische Erfahrungen sammeln konnten.

Denn: Gerade bei den technischen Berufen ist und bleibt die Praxis ein zentrales Element der Ausbildung, weiß Jan Wehlen: „Natürlich leiden gerade diese Ausbildungsfelder unter den strikten Sicherheitsmaßnahmen vor Ort. Die Generation unserer Azubis findet sich zwar hervorragend in der digitalen Welt zurecht, aber die Auszubildenden haben sich bewusst für einen technischen Beruf in der Werkstatt entschieden – das kann kein Online-Kurs ersetzen.“ Begleitet durch den täglichen Austausch mit ihren Betreuern, die während der gesamten Pandemie mit hohem Engagement und Kreativität ihre Ausbildungszweige weiterentwickeln, konnten die Auszubildenden anhand der zugesandten Kits auch am heimischen Schreibtisch zumindest ein wenig Werkstatt-Feeling kreieren.

Digitales Lernen bei STILL: Wenn der Azubi nicht zur Ausbildungsstätte gehen kann, dann kommt die Ausbildungsstätte eben zu ihm.

Von der Übergangslösung zur etablierten Methode

Alle KION Marken legten den Fokus zu Beginn der Pandemie darauf, die Prüfungsklassen auf digitalem Weg bestmöglich auf ihre Abschlussprüfungen vorzubereiten. „In Anbetracht der Tatsache, dass gerade die Anfangsphase von Ungewissheit und wöchentlichem Abwarten der Entwicklungen geprägt war, haben wir es wirklich gut geschafft, sowohl den persönlichen Kontakt lebendig zu halten als auch mit unseren inhaltlichen Programmen erfolgreich weiterzukommen“, sagt auch Christian Strehl, der bei der KION Marke Dematic in der Niederlassung in Augsburg aktuell drei Schützlinge zu Fachinformatikern in der Anwendungsentwicklung ausbildet. Zunächst wurden alle jungen Nachwuchstalente mit Endgeräten ausgestattet, Plattformen zum täglichen Austausch ins Leben gerufen und Lehrpläne überarbeitet – und das alles von innerhalb zwei Wochen. Dabei befanden sich die Ausbilder im selben Boot wie ihre Schützlinge: Auch sie mussten sich auf die neuen Gegebenheiten einstellen, neue Programme kennenlernen, sich neue Abläufe einprägen. Die neue Situation und die noch bessere digitale Vernetzung haben zudem zu einer noch engeren Zusammenarbeit geführt: Der enge und regelmäßige Austausch zur Erstellung einheitlicher Rahmenbedingungen für die Auszubildenden oder der übergreifende Austausch von Ausbildenden und Auszubildenden zum Thema Schweißen sind dabei nur zwei Beispiele.

Kein Wunder also, dass sich der Bereich der Lehrmethoden über alle KION Marken hinweg stark weiterentwickelt hat. „Natürlich haben wir schon zuvor immer mehr digitale Formate in unseren Ausbildungsprogrammen integriert, aber wir sehen, dass das gesamte Bildungswesen einen regelrechten Push in der Digitalisierung durch die Pandemie bekommen hat“, sagt Jean-Christopher Klix. „Self-paced learning“, also das Lernen im eigenen Tempo, agile Methoden oder Design Thinking – ein fünfstufiger Prozess, um Problemstellungen zu bearbeiten – sind dabei nur einige der Methoden, die im digitalen Fernunterricht eingeführt wurden und auch in Zukunft beibehalten werden.

Wie das Lernen in Zukunft konkret aussehen soll, konnten bei Linde MH sogar sechs Auszubildende aktiv mitgestalten: Als eigenständiges, fachübergreifendes Projektteam der praxisintegrierten Ausbildungen – kurz PiA – kümmerten sie sich darum, einige digitalisierbareAusbildungsinhalte über Microsoft Forms zu standardisieren und die Ausbildungsabteilung bei der digitalen Transformation zu unterstützen. „Durch den Mix aus verschiedenen Lehr-Lern-Methoden lässt sich der Lernprozess effektiv, abwechslungsreich und interessant gestalten“, weiß Jean-Christopher Klix.

100 Prozent Online-Unterricht ist weder für die Auszubildenden und Studenten noch für die Ausbilder selbst komplett zufriedenstellend.

Digitale Brücken für neue Nachwuchstalente bauen

Dennoch sind sich alle drei Ausbildungsleiter einig: 100 Prozent Online-Unterricht ist weder für die Auszubildenden und Studenten noch für die Ausbilder selbst komplett zufriedenstellend. Die Hoffnung auf mehr Praxis mit der nächsten Ausbildungsklasse ist groß. Startschuss ist im August 2021 – und die Plätze dafür sind bereits gut gefüllt. „Entgegen dem statistischen Trend, der mir in zahlreichen Gremien oder Arbeitskreisen begegnet, haben wir aktuell keinerlei Probleme, unsere Plätze zu füllen und auch definitiv keinerlei Qualitätsverlust“, berichtet Jan Wehlen von STILL.

Fakt ist: Insgesamt leidet die Berufsorientierung mit am stärksten unter der Pandemie. Schließlich sind fehlende Schülerpraktika schlecht zu kompensieren, und wo digitale Ausbildungsmessen fehlen, kann auch nicht an persönliche Begegnungen am Messestand angeknüpft werden. Um hier den Anschluss nicht zu verlieren, hat kürzlich eine Projektgruppe bei STILL, bestehend aus vier dualen Studierenden und Auszubildenden, eigenständig ein interaktives Konzept auf die Beine gestellt. Via Videokonferenz bieten sie Berufs- und Studienorientierung für interessierte Schulklassen oder Gruppierungen bis zu 25 Teilnehmer an. Dabei stehen vor allem die Fragen der Schülerinnen und Schüler zum allgemeinen Bewerbungsprozess im Vordergrund. Außerdem führt die Projektgruppe ein Planspiel durch und berichtet begleitend dazu von ihren Erfahrungen und Möglichkeiten bei STILL. „Die Durchführung liegt ganz allein bei unseren Azubis und Studierenden, wofür wir eine durchweg positive Ressonanz von den Schulen erhalten“, schildert Jan Wehlen stolz. „Inzwischen haben sogar bereits andere Betriebe das Konzept übernommen, um diese wichtige Verbindung zwischen der Berufswelt und den Schulen auch in Zeiten der Pandemie aufrechtzuerhalten.“