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Von einer fixen Idee zum StaplerCup

Das Finale des diesjährigen StaplerCup rückt immer näher. Ein Mann, der das Format von Anfang an mitentwickelt hat, ist Peter Seufert. Dabei hatte der Staplerfahrer zuvor schon vor einem Millionenpublikum gezeigt, wie gut er selbst sein Fahrzeug beherrscht. In unserer Serie über spannende Persönlichkeiten der KION Welt stellen wir ihn vor.

2022-10-20

Der Berufsweg von Peter Seufert verlief nicht geradlinig, sondern er nahm überraschende Wendungen. Als der gebürtige Miltenberger seine Ausbildung zum Bauschlosser in der Tasche hatte, hätte er wohl nicht gedacht, dass er fast 50 Jahre später seinen baldigen Ruhestand als Mitarbeiter der Marketingabteilung von Linde MH antreten würde. In die Welt des Marketings brachte ihn eine besondere Fähigkeit: sein gekonnter Umgang mit Gabelstaplern!

Denn Seufert hatte nach seiner Ausbildung umgesattelt. Zunächst war er Dachdecker geworden, bevor er zehn Jahre später Staplerfahrer bei Linde MH wurde. Als solcher belud er LKWs oder transportierte Gegengewichte für die Produktion. „Ich habe Linde vom ersten Tag an sehr zu schätzen gelernt,“ sagt Seufert. Zudem bereitete ihm als Staplerfahrer das spielerisch-leichte Beherrschen seines Fahrzeugs großen Spaß. So sehr, dass er sich knifflige Aufgaben überlegte, die nur mit Fingerspitzengefühl zu lösen waren – etwa mit der Zinke Ösen aus dünnem Draht um eine Kugelschreibermine zu legen. Seine Fähigkeiten stellte er sogar mehrmals in Fernsehshows unter Beweis, doch dazu später mehr. Der Marketingleiter von Linde MH war jedenfalls angetan von Seuferts Talent und Kreativität, und er hatte dabei einen Hintergedanken.

Ein Team für den StaplerCup

Denn der Marketingleiter plante einen Wettbewerb, der zeigen sollte, wie viel Kunst, Können und Passion in der Beherrschung von Gabelstaplern steckt. Ihm schwebte ein Parcours vor, den die Fahrer mit ihren Gabelstaplern zu bewältigen hatten und Seufert sollte die Vorschläge für die Herausforderungen einbringen: „Du hast immer so tolle Ideen“, überzeugte der Manager Seufert davon mitzumachen. Es war die Geburtsstunde des StaplerCup , heute längst eine eigene Institution in der Intralogistik-Branche. Doch Seufert wurde mehr als nur Geburtshelfer der erfolgreichen Challenge, er entwickelte sie mit weiteren Mitstreitern beständig weiter. Für die ersten Ausgaben des StaplerCup wechselte der Staplerfahrer zunächst zeitweise, dann immer häufiger und über einen längeren Zeitraum in die Marketingabteilung. So lange, bis er schließlich komplett ins Marketing ging. Bis heute plant und organisiert Seufert den StaplerCup jährlich zusammen mit einem Team. Der Teamgedanke ist dabei besonders wichtig: „Neue Leute haben neue und gute Ideen, und wenn man etwas zu lange immer auf dieselbe Art und Weise macht, wird es langweilig.“ 2022 wird allerdings sein letzter StaplerCup sein, offiziell geht er im November in Rente. Auch wenn seine Kollegen schon scherzhaft orakeln, ein passionierter Mensch wie er könne doch wohl nicht vom Stapler lassen. Und es stimmt schon, seine Leidenschaft kann Seufert nur schwer verbergen und er will es auch gar nicht: „Du musst diese Arbeit gerne machen, sonst brauchst du nicht damit anfangen.“

Talent, Feingefühl und Raumgefühl

Dieselbe Leidenschaft, die erkennt er bei den Teilnehmern des StaplerCup, vor deren Leistungen er höchste Achtung hat. „Die fahren alle besser als ich“, sagt er. „Dabei brauchst du Talent, Fein- und Raumgefühl.“ Diese Qualitäten sichtbar zu machen, das war und ist bis heute ein Ziel des StaplerCup. „Staplerfahrern eilt kein großer Ruf voraus. Wir wollten den Beruf des Staplerfahrers aufwerten und es ist schön zu sehen, wie stolz die Top-Platzierten bei unserem Cup immer sind“, berichtet Seufert. „Einige von ihnen schaffen es anschließend sogar ins Fernsehen.“ Und damit treten sie in große Fußstapfen, nämlich in die von Seufert selbst.

Denn er hatte vor über 20 Jahren das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Es ist heute nicht mehr vollständig aufzuklären, wer eigentlich auf die Idee mit dem Fünfmarkstück gekommen ist. Seufert erinnert sich, dass er von einem Automonteur darauf angesprochen wurde: „Du, auf der Motorhaube eures Staplers kann man eine Münze hochkant stellen und die kippt bei laufendem Motor nicht um!“ Seufert war von der Geschichte fasziniert und experimentierte danach selbst mit einer Münze, stellte sie sogar auf die Zinke seines Staplers und fuhr damit herum. Irgendwann erzählte er die Geschichte einem Servicemanager. Der glaubte ihm erst nicht. Dass die Fahrzeuge von Linde ruhig und präzise fahren, war bekannt – aber so ruhig? Nach diversen gelungenen Demonstrationen scherzte schließlich jemand: „Meld dich damit doch mal bei ‚Wetten, dass…?‘“ Gesagt, getan.

Damals, vor rund 20 Jahren, war „Wetten, dass…?“ noch immer strahlkräftig, wenn auch nicht mehr ganz auf dem Zenit der 1980er Jahre. Etwa 14 Millionen Zuschauer verfolgten die Sendung Anfang der 2000er. Die Mischung aus prominenten Gästen und alltäglichen Menschen mit ungewöhnlichen Wetten zog immer noch komplette Familien zum Fernsehabend vor den Bildschirm. Wie eben zum Beispiel: Wetten, dass ich in vier Minuten einen Parcours mit einem Stapler fahren kann, bei dem ein Fünfmarkstück hochkant auf der Zinke steht – und nicht umfällt? Das war die Wette, mit der Peter Seufert am 11. November 2000 in der Sendung auftrat.

Hinter der Bühne mit Madonna und den Backstreet Boys

Und so fand sich der damals 40-Jährige wenig später inmitten von Showstars wieder. Hinter den Kulissen der Sendung traf er unter anderem die Backstreet Boys („sehr nett, die Jungs“, sagt Seufert), Madonna oder Til Schweiger. „Du gehörst dann einfach dazu“, beschreibt er es. Er erregte schon allein deswegen besonderes Aufsehen, weil er mit „so einer Riesenmaschine“ ankam. Dem damaligen Modell des Linde H80 – einem Achttonner. Auf dessen Zinke balancierte Seufert ein Fünfmarkstück, während er unter Zeitdruck auch noch zwei große Kisten aufeinanderstapelte. Am Ende „gewann“ er seine Wette nicht, er scheiterte am Zeitlimit, wurde deswegen kurz vor Schluss hektisch – und die Münze kippte. Das war dann aber, wie so häufig bei „Wetten, dass…?“, eher zweitrangig. Wer sich die alte Aufzeichnung ansieht, spürt förmlich, wie das Live-Publikum in der Halle gebannt und atemlos dem Stapler folgte. Und jeder schien zu wissen: Das hätte auch klappen können.

Staplerwette, die zweite: Ein zwanzig Meter hoher Turm

Damit hätte die Geschichte zu Ende sein können – doch Seufert bot sich wenig später die Gelegenheit zu einer Neuauflage. 2004 wollte eine Gruppe junger Männer mit einer weiteren Stapler-Wette auftreten. In fünf Minuten sollte ein 20 Meter hoher Turm aus Wasserkästen auf Paletten gestapelt werden. „Die haben dann aber kurz vor der Show offenbar kalte Füße bekommen“, sagt Seufert, und die Fernsehredaktion stand ohne Staplerfahrer da. Also rief das ZDF bei Linde an: Es gab doch vor einigen Jahren diesen Peter Seufert? Damit landete er ein zweites Mal in der Show. Diesmal an der Seite von George Michael, Charlize Theron und Franz Beckenbauer. „Die Idee war aber von vorneherein zu ambitioniert“, sagt er. Wieder war das Zeitlimit zu eng bemessen. Seufert schaffte es nicht.

„Und dann rief zwei Jahre später das chinesische Fernsehen an“, erzählt er. Ob er nicht Lust habe, bei der chinesischen Version von „Wetten, dass…?“ mitzumachen. „Ich dachte erst, das wäre so ein Scherzanruf.“ Kurze Zeit später saß Seufert, der eigentlich ungern fliegt, im Flugzeug nach Peking und bekam dort drei Tage lang einen Chauffeur und eine Dolmetscherin an die Seite gestellt. Die chinesische Adaption sei etwas anders gewesen als das deutsche Original, schildert er. Mehr Akrobatik im Programm. „Da kam der Stapler als große Maschine umso besser an.“ Diesmal gelang es Seufert auch tatsächlich, den Turm aufzubauen, er wurde zum „Wettkönig“ gekürt. „Und alle Wettkönige jeder Sendung werden nochmal zum Finale eingeladen.“

Zuvor hatte ihn Fernsehmoderator Thomas Gottschalk bei der deutschen Ausgabe live in der Sendung gefragt, wie man eigentlich so gut fahren lerne. Seuferts Antwort damals: Je bequemer der Fahrer sei, desto häufiger bleibt er sitzen und räumt Hindernisse vorsichtig mit der Gabel beiseite, anstatt auszusteigen – so trainiere man die Fähigkeiten. Vielleicht liegt die Wahrheit aber eher darin, dass Seufert nach der Schicht noch so viel Spaß am Fahren hatte, dass er unter anderem mit Münzen, Stiften und Drähten experimentierte. Und diesen Spaß, den ließ er in diesem Jahr letztmals für Aufgaben beim Finale des StaplerCup einfließen.