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Was "5Geht" für die Intralogistik?

5G war eines der Highlight-Themen auf der HANNOVER MESSE. Die Erwartungen der Industrie an den neuen Kommunikationsstandard sind hoch. Welche konkreten Chancen 5G für die Intralogistik bietet, fragten wir Ansgar Bergmann, Projekt Manager für die Themen Data und Vernetzung im Bereich Technologie und Innovation bei der KION GROUP AG.

2019-05-02

Herr Bergmann, 5G ist in aller Munde. Ist der Hype aus Ihrer Sicht berechtigt?

Ansgar Bergmann: 5G bietet ein eindrucksvolles Potenzial. Es werden erstmalig neben den Belangen der Consumer auch die diversen Aspekte der Industrie, die mit den neuen Ansprüchen der Industrie 4.0 Einzug gehalten haben, berücksichtigt. Mit 5G kommen wichtige Elemente der Bereiche Sicherheit, Verfügbarkeit, Latenz und gesteigerte Übertragungsraten (sowohl Down-, als auch Uplink) hinzu, sodass sich Szenarien der erweiterten Digitalisierung besser abbilden lassen. In der Industrie 4.0 sieht man sich anderen Datenraten, Informationswünschen sowie -möglichkeiten gegenüber und auch einer anderen Präsenz von Informationen. Stichwort „Digitaler Zwilling“ – ein virtuelles Modell eines Objektes, welches zu jeder Zeit den Zustand des Selbigen für weitere Prozesse und Analysen widerspiegelt und somit für eine Verschmelzung der realen und virtuellen Welt steht. Daten werden somit nicht mehr nur lokal, sondern auch in den verschiedenen Cloud-Derivaten verarbeitet. Das alles ist hochinteressant für die Industrie, und deshalb ist die Reaktion auf 5G auch so stark. Die Belange der Industrie werden ernstgenommen, und 5G bietet sozusagen einen Trittstein in Richtung wirkungsvoller Digitalisierung.

Das Thema Maschinenschnittstelle wird durch 5G befeuert. Der Schritt vom klassischen hin zum vollautomatisierten System wird keine Zwischenstufen benötigen, sondern kann direkt erfolgen.

Ansgar Bergmann

Was ist 5G?

5G ist ein neuer Mobilfunkstandard, der schnelles, mobiles Internet ermöglichen soll. Die Datenübertragung wird dabei mit einer Geschwindigkeit von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde übertragen – was einer 1.000-fachen größeren Netzkapazität als LTE entspricht. Vor allem im Hinblick auf die Industrie 4.0 und die Vernetzung von verschiedenen Maschinen und Systemen ruhen große Hoffnungen auf 5G.

Welche konkreten Vorteile hat 5G gegenüber existierenden Kommunikationsstandards?

Ansgar Bergmann: 5G steht natürlich nicht allein. So wird beispielsweise auch der Wifi-Bereich weiterentwickelt. Aber Wifi basiert eben auf anderen Technologien, die Einschränkungen, z.B. durch begrenzte Bandbreiten, mit sich bringen. Der Vorteil von 5G ist sein geplantes, deutlich breiteres Frequenzspektrum. Funkteilnehmer können, wenn nötig, auch auf andere Frequenzen ausweichen. Das geht mit den anderen Standards nicht in diesem Umfang, und diese sind auch nicht in dieser Form auf Low Latency und Ultra Reliabitiy getrimmt. Wifi wird in jedem Fall seine Daseinsberechtigung behalten, denn bestehende Funkstandards sind für klassische Anwendungen, wie etwa Flottenmanagement ausreichend, aber eben nicht mehr für alle Belange der modernen Digitalisierung. Außerdem finden sich in vielen Unternehmen bestehende umfangreiche Installationen, die nicht von heute auf morgen ausgetauscht werden. Andere Standards wie z.B. Bluetooth 4.0 Low Energy sind ebenfalls hochattraktiv, bleiben aber lokal beschränkt. Wir werden in jedem Fall eine Koexistenz der Systeme sehen, weil es immer auf den Anwendungsfall ankommt. 5G wird ein großes Add-on sein, jedoch wird es nicht alle Detailanwendungen abdecken können.

Welchen konkreten Nutzen, welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie für 5G in der Intralogistik?

Ansgar Bergmann: Interessant sind vor allem die Performance- und Verlässlichkeitsaspekte von 5G. Das ist zum Beispiel im Bereich der Indoor-Logistik bei der Steuerung von fahrerlosen Transportsystemen relevant. Der Anwender wird dadurch in die Lage versetzt, ganze AGV- Flotten auf engem Raum zu koordinieren und die Steuerungs- und Routendaten in einer Edge Cloud des Unternehmens zu verwalten. Weitere Einsatzmöglichkeiten liegen im Bereich der Robotik, der Kollaboration zwischen Maschine und Mensch sowie bei bildgebenden Verfahren. 5G berücksichtigt stärker Sicherheitsaspekte und gewährleitet stabile Verbindungen. Auch im Bereich des Monitorings gibt es für die Intralogistik interessante Ansätze, weil deutlich mehr Einzelelemente vernetzt werden können. Das ist heute mit verfügbaren Standards wie 4G oder WLAN nur begrenzt möglich.Für die Industrie wird insbesondere der Aspekt des „Enterprise 5G“ Beachtung finden, da hier die kommunikative Abgeschlossenheit gegenüber dem öffentlichen Netz sicher gewährleistet werden kann. Gerade bei sensiblen Anwendungen, die bisher nur im öffentlichen Netz stattfinden können, bietet das natürlich völlig neue Einsatzfelder. Hierfür werden allerdings freie Frequenzen für die Industrie benötigt, was in seiner finalen Ausgestaltung noch in der Diskussion ist. Ein weiterer für die Intralogistik interessanter Aspekt von 5G ist das Thema Low Power. Betrachtet man Assets in der Intralogistik, wie etwa Batterien oder Anbaugeräte, ermöglicht 5G hier eine sehr energieeffiziente Kommunikation. Der Energieverbrauch beträgt teilweise nur ein Zehntel von 4G, ein Vorteil, der gerade für mobile Systeme eine große Rolle spielt.

Ergeben sich durch 5G aus Ihrer Sicht neue Produkte und Services in der Intralogistik?

Ansgar Bergmann: Das kann ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Wobei sich das nicht allein durch 5G ergibt, sondern vor allem aus dem Industrie-4.0-Gedanken und dem Wunsch heraus, Daten anders zu verarbeiten und Systeme umfangreicher autonom zur Verfügung zu stellen. Das unterstützt 5G. Das Thema Maschinenschnittstelle wird durch 5G befeuert. Der Schritt vom klassischen hin zum vollautomatisierten System wird keine Zwischenstufen benötigen, sondern kann direkt erfolgen. Industrie 4.0 basiert vor allem auf datentechnischen Prozessen, und diese werden durch 5G gestützt. Alle Produkte in Richtung Automatisierung, Prozesstransparenz, Pay per Use, prädiktive Wartung oder Beratung werden durch 5G stärker unterstützt. In der Intralogistik sind darüber hinaus, um nur einige Beispiele zu nennen, auch mobile Roboter für das Picking, eine umfangreichere Routen-Kalkulation oder Augmented Workers denkbar. Das wird alles durch eine bessere Datenanbindung möglich.

Welche Erwartungen haben Sie nach der 5G-Auktion an die Umsetzung?

Ansgar Bergmann: Ich erhoffe mir eine klare Aussage bezüglich der Bereitstellung von 5G im Enterprise-Bereich und die Schaffung eines Standards, der auch eine Vereinheitlichung der Kommunikationsweise innerhalb der Industrie zwischen Anbietern und Kunden schafft. Mit 5G erhalten wir eine definierte Basis, die wiederum bessere Planungssicherheit für die Anwender bringt. Für Intralogistikanbieter wird es leichter, passende Produkte und Lösungen zu entwickeln, weil die Arbeitsumgebung verlässlicher wird. Die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur ist dafür natürlich Voraussetzung. Hier sind die Kommunikationsanbieter am Zug.

Wie bereitet sich KION auf 5G vor?

Ansgar Bergmann: Wir sind bereits im intensiven Dialog mit Industriepartnern, um die Anforderungen unserer Kunden zu identifizieren. Darüber hinaus arbeiten wir in verschiedenen Gremien und Forschungsprojekten, um aus erster Hand den aktuellsten Stand der Technik zu erfahren. Durch diese gezielte Vorbereitung, auch durch das Erproben von Teillösungen und die intensive Diskussion, hoffen wir, die richtigen Aspekte in den Fokus zu rücken und diese dann mit den passenden Lösungen zu unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch.