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130 Jahre Fördertechnik in Reutlingen

Das Jahr 1893: Karl Mays Winnetou-Trilogie erscheint, Rudolf Diesel erhält ein Patent auf „Arbeitsverfahren und Ausführungsart für Verbrennungskraftmaschinen“ (heute bekannt als Dieselmotor), Frankreich führt eine Fahrradsteuer ein – und in Reutlingen, Königreich Württemberg, wird das Unternehmen Ernst Wagner Apparatebau gegründet. Es ist der Urvater der heutigen KION Warehouse Systems (KWS).

2023-08-16

Was verbirgt sich hinter dem Namen KWS? In den Reutlinger Werken betreibt KION sein Kompetenzzentrum für Flurförderzeuge im Schmalgangbereich. Das Unternehmen blickt auf eine lange Tradition zurück: „Ernst Wagner Apparatebau“ war zunächst ein Spenglerei-Betrieb (seinerzeit „Flaschnerei“ genannt). In den folgenden Jahrzehnten bot die Firma bereits ein umfangreiches Produktportfolio für Logistiklösungen an und entwickelte sich bis in die 1980er und 1990er Jahre zu einem der führenden Anbieter im Markt für Lagertechnikfahrzeuge. Im Jahr 1991 übernahm die Linde AG die Firma. Seit 2006 gehört sie zur KION Group. Im Jahr 2010 erfolgte die Umbenennung in KION Warehouse Systems .

Ein Teil des heutigen Produktportfolios von KWS.

Die Geschichte von KWS in Reutlingen wird auch heute noch fortgeschrieben. Erst im vergangenen Jahr verkündete KION die Erweiterung des Werkes : „Mit dem Ausbau der Produktion um gut 60 Prozent setzen wir ein wichtiges Zeichen für die Zukunft. Wir erwarten im Bereich der Hochregalstapler und Vertikalkommissionierer ein nachhaltiges Marktwachstum und haben unsere Planungen entsprechend darauf ausgerichtet“, sagte Rob Smith, Vorstandsvorsitzender der KION GROUP AG, im November 2022. Der Ausbau der Produktionskapazität hat auch Einfluss auf die Beschäftigung: Von 250 Mitarbeitern im Jahr 2010 ist die Belegschaft bereits auf mehr als 400 gewachsen. Von den Beschäftigten der KWS kommen aktuell rund 130 aus dem Gebiet der Stadt Reutlingen und ca. 280 aus dem Landkreis Reutlingen. Mit dem Ausbau werden die bestehenden Arbeitsplätze abgesichert und darüber hinaus neue ermöglicht.

Geplant ist eine Erweiterung der bestehenden Produktionshallen. Die innerbetrieblichen Abläufe können so deutlich optimiert werden.

Die Anfänge unter Ernst Wagner

Reisen wir an dieser Stelle 130 Jahre in die Vergangenheit: Der Installationsmeister Ernst Wagner gründete das Reutlinger Traditionsunternehmen und entwickelte die Firma vom Handwerksbetrieb für sanitäre Anlagen und Zentralheizungen zu einer regelrechten Ideenfabrik. Er hielt bereits um die Jahrhundertwerde eine Vielzahl von Patenten und Schutzrechten. Ernst Wagners Geschirrspülmaschine war wohl die erste Maschine dieser Art, die in Europa auf den Markt kam und sich international bewährte. Eine disruptive Entwicklung für den Haushalt!

Ernst Wagner mit der damals innovativen Spülmaschine im Jahr 1928.

Der Eintritt von Wagners Schwiegersohn Otto Winter in die Firma im Jahr 1911 und die Orientierung hin zu einer industriellen Fabrikation führten zur Konzentration auf zwei Bereiche: Großküchentechnik und Fördertechnik. Bereits in den 1910er Jahren startete Otto Winter die Produktion der patentierten Hubwagen „Schildkröte“ für Industrie und Großhandel. Diese etablierten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Markt und waren lange Zeit das Aushängeschild der Reutlinger.

Der Messeauftritt in Hannover im Jahr 1954: Das Sortiment der Schildkröten.

Entwicklung zum Fördertechnik-Allrounder

In den 1950er Jahren begann die Ernst Wagner KG damit, ihr Transportgeräteprogramm auszubauen und entwickelte die ersten Elektro-Fahrzeuge. Im Reutlinger Vorort Mittelstadt wurde 1962 ein neues Produktionswerk für die Fördertechnik errichtet. Dieses wurde bis Anfang der 1970er Jahre in mehreren Schritten erweitert. Bereits zu Beginn der 1960er Jahre entwickelte die Ernst Wagner KG zudem automatisch fahrende Fahrzeuge, die zunächst optisch und später auf einem Leitdraht geführt wurden.

Aus diesen Anfängen entwickelte sich der Bereich Fahrerlose Transportsysteme (FTS), für den die Firma in den 1980er und 1990er Jahren weltbekannt war. Entsprechend wuchs der Mitarbeiterstamm von 180 Mitarbeitern im Jahr 1955 auf insgesamt 880 Mitarbeiter im Jahr 1985. Der Umsatz stieg von 7 Mio. DM im Jahr 1955 auf 124 Mio. DM im Jahr 1985.

Der erste in Mittelstadt gebaute Schubmaststapler in den 1960er Jahren (links) sowie ein Fahrerloses Transportsystem im Jahr 1982.

Eine feste Größe in der KION-Familie

1986 wurde der Bereich Fördertechnik ausgegliedert und in den Jahren bis 1991 vollständig von der Linde AG übernommen. Durch die langjährige Zusammenarbeit mit der STILL GmbH wurde die Wagner Fördertechnik im Linde-Konzern dem Unternehmensbereich STILL zugeordnet. Im April 1996 wurden die deutschen Wagner-Niederlassungen und Service-Organisationen mit 280 Mitarbeitern in die STILL-Vertriebsorganisation eingegliedert. 1997 wurde das Unternehmen zur STILL Wagner GmbH & Co. KG umbenannt. Anfang 2010 wanderte die Produktion der STILL-Schubmaststapler nach Hamburg.

Linde-Schmalganggeräte aus Reutlinger Herstellung.

Im Anschluss wurde der Standort Reutlingen in die heutige Form KION Warehouse Systems umgewandelt und als „VNA-Kompetenzzentrum“ der KION Group gestärkt. Der Begriff VNA kommt aus der Abkürzung des englischen Begriffs für Schmalgangfahrzeuge: Very Narrow Aisle Trucks. Die seit den 1970er Jahren gebauten „Groß-Geräte“ bilden heute die Basis für das reformierte Geschäftsmodell.

Der Schmalgangstapler STILL MX-X.