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"Alles muss genau geplant werden"

Zweiter Teil der Serie zu den Branchen unserer Kunden: In der Automobilbranche entscheiden effiziente Prozesse über die Kosten. Blick in eine Branche zwischen Kostendruck, Innovation und Umbruch.

2017-08-04

„Bei uns gehen täglich 200 bis 300 Tonnen an Material ins Werk und wieder hinaus“, sagt Clemens Fath, Supply-Chain-Manager von Opel am Standort Wien. Sie gehen als Einzelteile hinein und als Motoren oder Getriebe hinaus: insgesamt etwa 1,2 Millionen Stück im Jahr. Allein bei den Motoren produziert Faths Werk rund 50 verschiedene Typen. „All das muss genau geplant werden“, sagt der 40-Jährige: „Die Ankunft der Einzelteile, die Verteilung am Band zum richtigen Ort, die Zwischenlagerung – bis hin zur korrekten Voraus¬planung, falls es mal Engpässe geben sollte.“ Eine logistische und intralogistische Herausforderung. Die dafür nötige Flotte: 70 Flurförderzeuge. Stapler, Schlepper, Routenzüge.

Speerspitze im Experimentieren

Logistik war schon immer ein wichtiges Thema für die Automobilbranche - eine Branche, deren Endprodukte zwar mehrere tausend Euro kosten, die aber trotzdem stark auf die Kosten und den Preis schaut, und sich immer wieder damit beschäftigt, wo man noch optimieren, Prozesse verschlanken oder Produktionskosten senken könnte. „Unsere Branche erlebt einen extremen Wettbewerb und Kostendruck“, sagt Fath. Gerade in Europa, wo die Lohnkosten höher sind als an anderen Regionen auf der Welt: „Wenn wir mit anderen Kontinenten konkurrieren wollen, müssen wir entweder innovativer oder schneller sein, auf jeden Fall möglichst immer einen Schritt voraus.“

Das macht die Branche aus Sicht eines Anbieters wie der KION Group zu einer Art Paradoxon. „Viele Produzenten schauen auf den günstigen Preis, wollen aber gleichzeitig innovativ sein“, sagt Lars Schürmann, Head of National Key Account von Linde MH. „Das sind auf den ersten Blick zwei eigentlich gegensätzliche Pole; tatsächlich ist man aber häufig Speerspitze im Experimentieren mit neuen Technologien und Ideen.“ Weil gerade die großen Produzenten und Zulieferer Konzerne sind, die es sich leisten können, Investitionen zu tätigen, die sich erst langfristig auszahlen.

Ein eigentlich ungeliebter Prozess

Logistik, könnte man auch sagen, ist für viele Produzenten ein unvermeidbarer, aber eigentlich ungeliebter Prozess. „Logistik ist nur teilweise wertschöpfend“, sagt Schürmann. Oder, wie Fath es ausdrückt: „Wenn der Schlepperfahrer einen Kilometer fährt, ist das eigentlich Verschwendung. In dieser Zeit macht er nichts anderes als sitzen.“

Kein Wunder also, dass große Automobil¬hersteller ganze Heerscharen an Mitarbeitern beschäftigen, deren Aufgabe darin besteht, logistische Prozesse zu optimieren. Und eine der Entwicklungen, die die Logistik-Experten und Supply-Chain-Manager in den letzten Jahren besonders aufmerksam verfolgt haben, ist Automatisierung. „Produktivität, Arbeitssicherheit – und das Bewusstsein, dass wir bei diesem Trend nicht hinterhängen dürfen“, zählt Fath die drei Gründe auf, aufgrund derer er sich mit der Automatisierung in der Logistik beschäftigt. Da ist er wieder, der Doppelklang aus Kostendruck und Innovationsbereitschaft. Das Opelwerk Wien wird daher ab Juni 2017 mit autonom fahrenden Routenzügen ausgestattet, die vom Warenlager zur Produktion oder zur Montage fahren.

„Wir wissen, dass gerade die Konkurrenz aus Japan schon stark auf Automatisierung in der Materialbereitstellung setzt“, sagt Fath, der die Entwicklung im Auge behalten will. Am Ende komme es schließlich immer darauf an, ob eine Neuerung auch tatsächlich finanziell sinnvoll sei. „Attraktive Innovationen und neue Technik gibt es genug auf dem Markt – aber rechnet es sich auch?“

Eine attraktive Zukunftsvision

Allerdings: Dadurch, dass die Routenzüge aufeinander abgestimmt sind, wird für Fath auch ein anderes Thema interessant: vernetzte Daten. „Wenn wir verschiedene Systeme miteinander kombinieren könnten, wenn es dann noch ein Warenwirtschaftssystem gäbe, das mich jederzeit darüber aufklärt, welche Teile sich gerade wo befinden...“, sagt Fath, und lässt den Rest des Satzes ausklingen. Die Folgerung ist ohnehin klar: Für jemanden, der auf Optimierung schaut, und dazu möglichst viel Information benötigt, wären vernetzte Daten eine attraktive Zukunftsvision.

„Im Prinzip treiben alle Unternehmen der Automobilbranche die gleichen Fragen um“, hat Schürmann festgestellt. Nicht zuletzt, weil der Sektor sich mit verschiedenen möglichen Umbrüchen konfrontiert sieht: Trends wie Elektromobilität oder auto¬matisiertes Fahren bedrohen bisherige Geschäftsmodelle, zwingen zur mehr¬gleisigen Planung, lassen aber immer noch keine Prognose zu, ab wann aus den Trends tatsächlich Verkaufserfolge werden.

Flexibilität ist gefragt. „Automatisierung ist ein Faktor, der Kosten spart und die Qualifikationen der Mitarbeiter nicht vergeudet“, sagt Schürmann. „Viele Unternehmen suchen ohnehin händeringend nach guten Mitarbeitern im Werk, da möchte man diese nicht Schleppzüge fahren lassen.“ Die Frage, die über allem schwebe, sei jene nach der möglichst exakten Planung: dass alles auch in Zukunft jederzeit genau dorthin befördert wird, wo es hingehört.

Effizienz und Vielseitigkeit

Die Geschwindigkeit selbst sei dabei sogar eher nebensächlich, betont Fath. „Just in time“, bedeutet nicht zwangsläufig schnell, sondern: genau zur richtigen Zeit. Geschwindigkeit ist ein Faktor in der Planung – weniger in der Auslieferung. Statt Schnelligkeit treiben vielmehr Effizienz und Vielseitigkeit die Branche um. „Die Lieferzeiten von Autos sind heute bereits sehr, sehr kurz“, sagt Fath. „In wenigen Wochen hat der Kunde sein Fahrzeug.“ Die Diskussionen über tagesaktuelle Auslieferung, die andere Branchen derzeit führen, berührt ihn zumindest deshalb wenig: „Bis die Drohne das Auto liefert – davon sind wir noch sehr weit entfernt.“

Die Herausforderungen der Automobilbranche

Automatisierung und „Industrie 4.0“ bieten Chancen zu höherer Effizienz, sind allerdings auch mit Investitionen verbunden.

Die Branche ist schon seit Jahrzehnten geprägt durch hohen Kostendruck und Wettbewerb in einem sehr konzentrierten Markt. Zukunftsthemen wie Elektromobilität, automatisiertes Fahren oder Leichtbau bedeuten Umbrüche für den Sektor, deren genaue Entwicklung allerdings noch nicht feststeht. Gleichzeitig bieten Trends wie Automatisierung und „Industrie 4.0“ Chancen zu höherer Effizienz, sind allerdings auch mit Investitionen verbunden. Die Unternehmen sind deshalb doppelt gefragt: Sie müssen vielschichtig planen und sich wachsam Innovationen gegenüber zeigen, dabei aber immer wieder hinterfragen, was wirtschaftlich sinnvoll und tatsächlich zukunftsfähig ist.

Was bedeutet das für die KION Group?

Im Spagat der Branche zwischen Preiskampf und Innovationswettbewerb ist die KION Group im Bereich Innovation gut platziert: Beispielsweise bei gut durchdachten Konzepten zur Automatisierung, die nicht nur einzelne Fahrzeuge, sondern den gesamten Materialfluss im Werk optimieren, ist die Chance besonders groß, dass Automobil-Hersteller hellhörig werden. Hier hilft der KION Group die Übernahme von Dematic: Im Zusammenspiel von Industrial Trucks & Services und Supply Chain Solutions lassen sich ganz neue, umfassende Intralogistik-Lösungen entwickeln.