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Brownfield Automation: Bestehende Lager im laufenden Betrieb modernisieren und automatisieren

Die Covid-Ära hinterließ der Logistikbranche ein Erbe: Große Lagerhallen, die für den E-Commerce-Boom gebaut wurden, aber heute oft nicht mehr optimal genutzt werden können, weil sich die Nachfrage verschoben hat. Gleichzeitig fehlen die Arbeitskräfte für den 24/7-Betrieb, da Fachkräfte begehrt sind und sich Arbeitsmodelle verändern. Die KION Group hat für dieses Dilemma zukunftsweisende Lösungen entwickelt: Statt neue Lager zu bauen, verwandelt der Intralogistik-Spezialist bestehende Anlagen in hochmoderne, teilautomatisierte Systeme – und das bei laufendem Betrieb. Möglich macht dies eine Kombination aus künstlicher Intelligenz, virtueller Simulation und adaptiver Robotik.

2025-04-09

Ein bestehendes Lager ohne Unterbrechung des Betriebs zu automatisieren – das klingt machbar, ist in der Praxis aber eine der größten Herausforderungen der Intralogistik. „Brownfield-Automatisierung ist die Königsdisziplin der Intralogistik“, sagt Johannes Hinckeldeyn, Director Advanced Core Technologies bei der KION Group.

Anders als bei Neubauten müssen hier unterschiedlichste Technologien kombiniert werden, um bestehende Strukturen intelligent zu modernisieren. „Es gibt nicht die eine Lösung für Brownfield-Projekte – es ist ein Zusammenspiel aus KI, Robotik, Machine Vision, Simulation und intelligenter Navigation“, erklärt Hinckeldeyn. Jede Lagerumgebung bringt eigene Herausforderungen mit sich, sodass maßgeschneiderte Automatisierungslösungen gefragt sind.

Was bedeutet Brownfield?

Doch was bedeutet das überhaupt – „Brownfield“? Der Begriff stammt aus der Stadtentwicklung und bezeichnet dort die Umnutzung bestehender Flächen. In der Intralogistik ist die Definition eine andere: Hier geht es um die Automatisierung und Modernisierung bestehender Lager und Distributionszentren – während diese weiter in Betrieb sind.

Das Pendant dazu ist „Greenfield“. Hier wird – bildlich gesprochen – auf der sprichwörtlichen grünen Wiese geplant und gebaut. Unternehmen können neue Lager von Grund auf entwickeln, ohne bestehende Strukturen berücksichtigen zu müssen. Diese Freiheit gibt es bei Brownfield-Projekten nicht – umso anspruchsvoller sind sie in der Umsetzung. „Wir müssen Technologien entwickeln, die sich an das Lager anpassen – nicht andersherum“, betont Hinckeldeyn.

Herausforderungen der Automatisierung

Eines der größten Hindernisse beim Umsetzen von Brownfield-Projekten ist die enorme Vielfalt bestehender Lagerstrukturen. „Viele Gebäude sind historisch gewachsen, haben verwinkelte Gänge, variierende Deckenhöhen und eine individuelle Infrastruktur“, erklärt Hinckeldeyn. Das sei vergleichbar mit autonomen Fahrzeugen in einer europäischen Altstadt: Unvorhersehbare Hindernisse und enge Wege erschweren eine starre Automatisierung.

Auch die Navigation stellt eine Herausforderung dar. Klassische Systeme arbeiten mit optischen Markern oder Laserscans – doch diese sind in gewachsenen Umgebungen unzuverlässig. „Klassische Methoden stoßen schnell an ihre Grenzen – etwa, wenn Regale umgestellt werden oder sich die Lichtverhältnisse ändern. Deshalb entwickeln wir derzeit KI-gestützte Bildverarbeitungssysteme“, sagt Hinckeldeyn. „Im ersten Schritt bringen wir eine Lösung mit statischer Kamera auf den Markt.“ Perspektivisch sollen Machine-Vision-Technologien es ermöglichen, dass automatisierte Fahrzeuge und Roboter ihre Umgebung in Echtzeit erfassen und flexibel auf Veränderungen reagieren können.

STILL optimiert Brownfield-Lager mit maßgeschneiderten Automatisierungslösungen.

Warum Brownfield jetzt so wichtig ist

Nach dem E-Commerce-Boom der Covid-Jahre gibt es ein Überangebot an Lagerflächen. „Jetzt sind die großen Lagerhallen aus der Covid-Ära weniger nützlich“, erklärt Eike Wibrow, VP Global Technology Strategy bei KION. Unternehmen setzen zunehmend auf die Optimierung bestehender Standorte statt auf Neubauten.

Laut einer Studie von GABE aus dem Jahr 2021 machen Brownfield-Anlagen bereits 40 % des Marktes aus – Tendenz steigend. „Der Markt für Brownfield-Automatisierung ist riesig. Die Frage ist nicht, ob Unternehmen automatisieren, sondern wie sie es am besten in ihre bestehenden Strukturen integrieren“, sagt Wibrow. Gleichzeitig zwingt der Arbeitskräftemangel Unternehmen zur Automatisierung. „Nachtschichten am Band oder im Gabelstapler sind anstrengend und schrecken potentielle Arbeitnehmer ab. 24/7-Operationen haben es also schwer.“

Regalsysteme und Automatisierung optimieren Lagerprozesse und steigern die Effizienz.

Technologien zur Automatisierung

Um bestehende Lager effizient zu automatisieren, braucht es hochflexible Systeme, die sich an unterschiedliche Umgebungen anpassen. Automated Guided Vehicles (AGVs) – oder zu deutsch: Fahrerlose Transportsysteme (FTS) – spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sind mit modernen Sensoren, Kameras und Machine-Learning-Algorithmen ausgestattet, um sich in den komplexen Lagerstrukturen zurechtzufinden. „AGVs müssen heute mit Unsicherheiten umgehen können – Hindernisse erkennen, neue Wege berechnen und sich selbstständig anpassen“, erklärt Johannes Hinckeldeyn.

Wir bieten zum Beispiel mit dem iGo Easy unserer Marke STILL eine sofort einsetzbare, nutzerfreundliche Lösung an, während iGo Systems eine individuell anpassbare Variante für anspruchsvollere Umgebungen darstellt. Neben AGVs gewinnen auch Multishuttle-Technologien und Autostore-Lösungen, wie sie unsere Marke Dematic im Portfolio hat, an Bedeutung, da sie eine effiziente Nachrüstung bestehender Lager ermöglichen.

Wir setzen bei der Automatisierung auf starke Partnerschaften – darunter auch die Kooperation mit NVIDIA . Eine der spannendsten Entwicklungen ist der Einsatz virtueller Simulationen zur Optimierung von Automatisierungsprozessen. „Mit Nvidia Omniverse können wir Kundenumgebungen virtuell nachbilden und unsere Maschinen dort trainieren – das ist gerade im Brownfield extrem wertvoll“, erklärt Eike Wibrow.

Durch synthetische Daten lassen sich Millionen von realistischen Szenarien simulieren – etwa variierende Lichtverhältnisse, unterschiedliche Palettenfarben oder Hindernisse auf den Wegen. „So kann die KI in der Simulation lernen, menschenähnliche Entscheidungen zu treffen, bevor sie in der echten Lagerumgebung zum Einsatz kommt“, sagt Wibrow.

Zusätzlich treiben 4D-Shuttle-Systeme , die sich flexibel in alle Richtungen bewegen können, die Effizienz weiter voran. „4D“ bedeutet: hoch und runter, nach links und rechts – und zusätzlich vorwärts und rückwärts, ohne zu wenden. Das macht Lagerprozesse flexibler und schneller.

Expertenberatung für Brownfield-Projekte.

Die Zukunft der Lagerautomatisierung

Die Automatisierung betrifft nicht nur Maschinen, sondern auch die Art und Weise, wie sie mit ihrer Umgebung interagieren – und hier spielt adaptive Robotik eine wachsende Rolle. „Ein humanoider Roboter ist die beste Hilfe im Brownfield-Umfeld. Denn alle Lager sind für Menschen konzipiert“, sagt Wibrow. In den nächsten zehn Jahren wird diese Technologie immer häufiger zu sehen sein – menschenähnliche Roboter, die sich zielbewusst durch das Lager bewegen? „Nur eine Frage der Zeit“, so Wibrow.

Gleichzeitig setzt KION verstärkt auf Partnerschaften, um die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen. China dient dabei als Testmarkt. „In China beobachten wir eine starke Offenheit für neue Technologien und eine hohe Innovationsgeschwindigkeit – viele Entwicklungen entstehen dort und werden anschließend international weitergetragen“, erklärt Wibrow.

Mit diesem Ansatz helfen wir bei KION unseren Kunden, bestehende Lager fit für die Zukunft zu machen – ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen. „Unsere Kunden interessieren sich zunehmend dafür, wie sich Automatisierungslösungen zügig und ohne größere Betriebsunterbrechungen implementieren lassen – Schnelligkeit und Integrationsfähigkeit werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren‘“, sagt Wibrow: „Ein Lager kann es sich nicht leisten, für Monate stillzustehen. Unsere Aufgabe ist es, Lösungen zu liefern, die sich nahtlos integrieren lassen – schnell, effizient und ohne Unterbrechung.“